Brauhaus Riegele – Auf der Suche nach Perfektion
Als Jungbrauer Johannes Schönauer den Hahn an dem kleinen Gärtank in der Riegele Braumanufaktur schließt, ist er mit seiner Arbeit zufrieden. 120 Liter „Scotish Summer Ale“ ruhen in dem Edelstahlbehälter. In einigen Wochen wird aus der dunklen Flüssigkeit ein neues Sommerbier entstanden sein – leicht, spritzig mit elf Prozent Stammwürze und wenig Alkohol. Doch das von Schönauer entwickelte Bier wird nie in den Handel kommen. In dem Kleinsudwerk im ehemaligen Gärkeller der Augsburger Brauerei experimentieren Lehrlinge und Brauer in jeder freien Minute mit neuen Rezepten aus und tüfteln an dem „perfekten Bier“.
„Wer hier arbeitet, muss vom Biervirus befallen sein“, sagt Juniorchef und ehemaliger Biersommelier-Weltmeister Sebastian Priller-Riegele. Jeder Mitarbeiter, ob in der Brauerei oder am Empfang, ist ausgebildeter Bierbotschafter. Es gehe um ein besonderes Bewusstsein für den Genuss – und die Bereitschaft, jeden Tag noch ein Stück besser zu werden. „Ein Bier ist ein Puzzle aus 1000 Teilen“, weiß Priller. „Und wir kümmern uns um jedes einzelne Stück.“ Jahrzehnte- und teilweise sogar jahrhundertelange Erfahrung sei dabei der größte Schatz der Familienbrauerei.
Die Leidenschaft trägt Früchte. Riegele-Biere sind national wie international preisgekrönt. In diesem Jahr konnte die Mannschaft um Braumeister Frank Müller die Titel Craftbierbrauer des Jahres, den European Beer Star und die Trophy of the Champions abräumen. Dass auch der Bundesehrenpreis für Qualität nach Augsburg ging, ist fast schon Routine – zum achten Mal in Folge hat Riegele die Auszeichnung verdient. Das Riegel Aechtes Dunkel wurde 2014 mit dem Silberpreis beim European Beer Star in der Kategorie Eurpean Style Dunkel ausgezeichnet, das Amaris 50 erhielt den Bronzepreis in der Kategorie German-Style Kellerpils.
Dabei setzt die Familienbrauerei auf Vielfalt. Rund 30 Biersorten in allen gängigen Stilen bietet sie an, drunter acht hochpreisige Brauspezialitäten, wie die Craft-Biere im Hause genannt werden. Auch ein limitiertes Bier in Champagner-Flaschen ist im Angebot und in Kürze wird mit „Magnus 15“ das erste holzfassgereifte Bier marktreif. „Als Familienbrauerei können wir machen, was uns Spaß macht und müssen nicht dem Markt hinterherlaufen“, sagt Priller-Riegele.
Treibende Kraft hinter den Bier-Innovationen ist Braumeister Frank Müller. Er ist besessen von der Suche nach dem „perfekten“ Geschmack. In seiner fast 30-Jährigen Brauerkarriere hat Müller viel gesehen. Unter anderem war er fünf Jahre lang in „Krönleins Bryggeri“ in Halmstad (Südschweden) als Braumeister am Werk – und konnte in dieser Zeit spannende neue Bierstile studieren.
Dort begann auch seine Leidenschaft für Bierhefe, die ihn heute zu dem Hefe-Experten in Deutschland und Europa macht. Wann immer Müller auf seinen Reisen zu befreundeten Brauern die Möglichkeit hat, zückt er ein steriles Reagenzglas und bittet um eine Hefeprobe. Mehr als 140 verschiedene Hefestämme ruhen im Kühlschrank der Brauerei, darunter 60 Ale-Hefen. Aktiv im Einsatz sind bei Riegele acht Hefen. Die meisten Brauereien kultivieren gerade einmal zwei Hefen für ihr Bier – eine obergärige und eine untergärige. „In der deutschen Bierlandschaft ist die Hefe noch untergeordnet“, sagt Müller. Dabei stehe ihre Geschmacksvielfalt dem Hopfen in nichts nach. Die Ester, die als Nebenprodukt bei der Vergärung entstehen, brächten viele interessante Noten ins Bier. Aromen von Banane, Himbeere, Ananas oder Aprikose – und das trotz strenger Beachtung des Reinheitsgebotes.
Den derzeitigen Hopfentrend findet Müller übertrieben. „Viel hilft viel“, sei bei Bier kaum der richtige Weg. „Das Aroma muss in den Körper eingebaut werden, es geht darum, einen ganz bestimmten, ausgewogenen Geschmack zu kreieren“, so der Braumeister. Trotz der vielen Auszeichnungen für seine Biere, Frank Müller ist nie ganz zufrieden. „Ich muss ständig etwas verbessern und bin nie am Ziel“, bekennt er. Nur so könne er sich dem „perfekten Geschmack“ irgendwann annähern.
In den letzten Jahren ist das Brauereigelände am Augsburger Hauptbahnhof konsequent zu einer „Zelebrationsplattform für Bier“ umgebaut worden. Dreh und Angelpunkt der „Riegele Brauwelt“, sind das Wirtshaus und der Biergarten, wo die Gäste die Bierspezialitäten entdecken, erleben und darüber diskutieren können. „Innovationen sind das eine“, mahnt Priller-Riegele, „doch sie müssen mit Leben gefüllt werden.“
In der „Bierakademie“ können sich Bierenthusiasten in Schulungen und Seminaren in die Geheimnisse der Braukunst einführen lassen. Braukurse finden in der Bier-Manufaktur statt. Dazu wurde der ehemalige Lagerkeller aufwendig hergerichtet, zwischen riesigen alten Lagerfässern hantieren die Besucher am kupfernen Drei-Geräte-Sudwerk und brauen ihre eigenen Bierspezialitäten. Einen Blick hinter die Kulissen bieten „Bierkult(o)uren, wie hier die Brauereiführungen genannt werden. Im Bierladen warten dann die komplette Bandbreite an Traditionsbieren und Craft-Spezialitäten. Für besondere Anlässe, Herrenrunden und gemischte Verkostungen, wird der Riegele-Reifekeller geöffnet, ein stimmungsvolles Gewölbe unter der Brauerei, in dem Müllers Holzfass-Biere reifen und in dem Proben von befreundeten Brauereien lagern.
Dass Riegele gutes Bier braut, hat sich herumgesprochen. Braumeister und Bierfans aus der ganzen Welt geben sich die Klinke in die Hand, um Frank Müller beim Brauen zuzuschauen. Gerade haben die Sierra Nevada-Gründer Ken und Brian Grossman einige Tage in Augsburg verbracht, wo sie sich „durch das Sortiment gekostet haben“, wie Priller-Riegele stolz berichtet. Sierra Nevada ist ein echtes Schwergewicht in der amerikanischen Craft-Bier-Szene. In einer Kooperation soll für die USA ein Festbier im Stil des „Riegele Commerzienrat Pils“ gebraut werden. Ein Adelsschlag für die Augsburger Brauerei. Für Priller-Riegele ist es vor allem das Ergebnis der stetigen Bemühung um Perfektion. Auch wenn der Markt für Craft-Bier in Deutschland klein ist – die Reise zurück zum Bier hat begonnen, davon ist der Brauereichef überzeugt.